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Philipp Klotz: Mit 28 Jahren bringt Kappel-Grafenhausens junger Bürgermeister frischen Wind und Millionenförderungen in die Gemeinde

  • 18 Nov 2025
  • Regio Ortenau

#RegioGespräch: Wie ein Verwaltungsprofi mit Oldtimer-Leidenschaft die Ortenau-Gemeinde zwischen Tradition und Moderne voranbringen will

Geschätzte Lesezeit: ca. 5 Minuten

Er könnte glatt als „Stift“ durchgehen, doch Philipp Klotz führt mit seinen 28 Jahren bereits eine ganze Gemeinde. Im Gespräch zeigt sich: Der junge Bürgermeister vereint Bodenständigkeit mit Visionen – und versucht „nebenbei“ Millionenförderungen nach Kappel-Grafenhausen zu holen.

November 2025, Kappel-Grafenhausen, apg: Wenn Philipp Klotz bei Vereinsfesten Schichten im Bierwagen übernimmt oder im Festzelt aushilft, vergisst man leicht, dass hier der Bürgermeister selbst Hand anlegt. Doch genau diese Nähe zu den Bürgern macht den 28-Jährigen aus, der seit dem 1. März 2024 die Geschicke von Kappel-Grafenhausen lenkt.

Gemeinde Kappel-Grafenhausen„Ich bin in die kommunale Welt hineingewachsen und es hat mir von Anfang an Spaß gemacht“, erzählt Klotz im Interview. Nach seiner Verwaltungsausbildung an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg startete er seine Karriere in Weingarten bei Bruchsal. Zuletzt arbeitete er als Abteilungsleiter in der Finanzverwaltung der Stadt Waldkirch. Die Motivation für den Schritt ins Bürgermeisteramt?  „Man kann gestalten. Wenn ich heute durch meine alten Schaffensstätten fahre und an Projekten vorbeikomme, für die ich die Förderung organisiert habe, erfüllt mich das mit Stolz.“

Bewusst trat er als Parteiloser an: „Als Bürgermeister vertritt man seine Gemeinde und deren Interessen – das funktioniert als Parteipolitiker meiner Meinung nach nicht optimal.“ Mit 58,81 Prozent der Stimmen gewann er am 3. Dezember 2023 die Wahl deutlich gegen Alexander Schindler (26,76 %) und Rebecca Wild (14,39 %).

Millionenförderung als Premiere

Sein größter Coup nach 18 Monaten im Amt: Klotz versucht erstmals, ein Landessanierungsprogramm nach Kappel-Grafenhausen zu holen. „Während Nachbargemeinden wie Ettenheim oder Mahlberg bereits im zweiten oder dritten Sanierungsgebiet sind, hatten wir noch keines“, erklärt er. Ein Sanierungsgebiet ist ein förmlich festgelegter Bereich einer Gemeinde, in dem städtebauliche Missstände behoben werden sollen. Das Verfahren basiert auf dem Baugesetzbuch (BauGB). Das Förderprogramm existiert seit über 50 Jahren, doch seine Vorgänger hatten nie die Zeit gefunden, die aufwendige Grundlagenarbeit zu leisten. Klotz packte es an – der Antrag ist gestellt, das Gemeindeentwicklungskonzept in Arbeit. Bei Bewilligung kann er acht Jahre lang Fördermittel zwischen drei und sechs Millionen Euro abrufen.

„Es braucht Mut, um in der Politik zu sagen, was Sache ist“, sagte einst Helmut Schmidt, den Klotz im Interview als Politiker mit Format würdigt. Dieser Mut zeigt sich auch bei den aktuellen Herausforderungen.

Wussten Sie schon? Fakten über junge Bürgermeister

- Mit 28 Jahren gehört Philipp Klotz zu den jüngsten Bürgermeistern Baden-Württembergs

- Das Durchschnittsalter deutscher Bürgermeister liegt bei etwa 53 Jahren
- Nur etwa 2% der Bürgermeister sind unter 30 Jahre alt
- Die Amtszeit beträgt in Baden-Württemberg 8 Jahre
- Kappel-Grafenhausen hatte seit der Gemeindefusion 1974 erst vier Bürgermeister

Die To-do-Liste des jungen Bürgermeisters ist lang: Eine Naturkindergartengruppe soll im Frühjahr 2026 starten, das Schulkonzept muss für den ab 2026 geltenden Ganztagsanspruch überarbeitet werden, und das Rathaus platzt aus allen Nähten. "Wir pfeifen raumtechnisch aus dem letzten Loch“, beschreibt Klotz die Situation. „Wir bauen gerade unser Lager zu Büros um. Danach haben wir keinen Sozialraum, keinen Besprechungsraum mehr – nur noch Büros.“ Die Lösung: Die Rathausstraße 4 wurde gekauft, ein Anbau ist im Rahmen des Landessanierungsprogramms geplant.

Zwischen Naturschutz und Entwicklung

Zwischen Naturschutz und EntwicklungDer junge Bürgermeister spricht offen über Zielkonflikte: Beim Hochwasserschutz kollidieren Naturschutz und Bürgersicherheit. Die Elz darf wegen geschützter Bachmuscheln nicht ausgebaggert werden – ein Problem, das bei Starkregen zur Gefahr werden könnte. „Wir stehen uns manchmal selbst im Weg“, formuliert er diplomatisch seinen Wunsch nach pragmatischeren Lösungen und weniger Verwaltungsebenen.

Privat zeigt sich eine überraschende Seite des Verwaltungsprofis: Klotz restauriert und fährt Oldtimer. Ein Unimog und eine alte S-Klasse stehen in der Garage. „Leider bleibt immer weniger Zeit zum fahren“, bedauert er. Die Fahrzeugliebe ist auch Ausdruck seiner Heimatverbundenheit: „Wir leben in der Ortenau im Paradies. In 20 Minuten bin ich im Elsass, in 20 Minuten im Schwarzwald.“

Auch bei der Wohnungssuche teilt er das Schicksal vieler junger Menschen in der Region. Ein Grundstück in Kappel-Grafenhausen fand sich nicht. Nun baut er bei seinem Onkel in Schutterzell. Die 16 Minuten Fahrtzeit nimmt er als Vorteil: „Wenn ich abends mit dem Hund spazieren gehe, habe ich auch mal Feierabend.“

Aktives Vereinsleben als Trumpf

Aktives Vereinsleben als TrumpfWas Kappel-Grafenhausen besonders auszeichnet? „Ein unglaublich aktives Vereinsleben und eine unglaublich motivierte Bevölkerung. Ich kenne keine Kommune in der Umgebung mit so vielen aktiven Vereinen“, schwärmt Klotz. Diese Energie will er nutzen, um die beiden Ortsteile noch stärker zusammenzuführen. Das 50+1-jährige Jubiläum der Gemeindefusion hat bereits viel bewegt, „aber das soll kein Strohfeuer sein.“

Mit Philipp Klotz hat Kappel-Grafenhausen einen Bürgermeister, der anpackt statt abwartet. Nach achtzehn Monaten im Amt zeigt sich: Der Mix aus jugendlicher Energie, Verwaltungserfahrung und Bürgernähe funktioniert. Die ersten Erfolge – vom besetzten Rathaus-Team bis zur Millionenförderung – geben ihm recht.

Sie interessieren sich für die Entwicklungen in Ihrer Gemeinde? Besuchen Sie die nächste Gemeinderatssitzung oder engagieren Sie sich in einem der vielen Vereine. Denn wie Philipp Klotz zeigt: Gemeinde lebt vom Mitmachen.

Recherchequellen für Statistiken zu Bürgermeistern:

Für lokale Informationen: